John Donahoe und seine Unternehmensphilosophie

Der Times Online Autor Andrew Davidson hat John Donahoe, CEO von eBay, zu einem Interview in London getroffen. Donahoe hielt sich vergangene Woche in London auf, um Investoren zu treffen. Der 49-Jährige eBay-Chef versucht eBay neuen Atem einzuhauchen, indem er die Käufer ins Zentrum setzt, wodurch er sich jedoch den Zorn vieler kleiner Händler zu gezogen hat.

Donahoe ist ein eher untypischer Technologie-Boss. Geboren im amerikanischen mittleren Westen und mit irischen Wurzeln ist er zu groß und blond, um ein Streber zu sein. Und doch nahm er vor 2 Jahren die Herausforderung an, die Spitzenposition bei eBay einzunehmen, und tauchte sofort in die Umstrukturierung des E-Commerce-Giganten ein, nachdem das einst so schnelle Wachstum stagnierte.

Jene Änderungen – weniger Versteigerungen, mehr Festpreis-Verkäufe – haben ihn bei eBay-Fans und Beobachtern nicht direkt beliebt gemacht. Kritiker verwiesen immer auf seinen vorherigen Beraterposten bei Bain&CO und warfen ihm vor, zu konventionell zu sein, um das besondere Web-Business-Ethos eBays zu verstehen. Aber Zahlen zählen, und nach stark fallenden Umsätzen geht es bei eBay nun wieder bergauf. Und am besten aller Bereiche wächst Paypal, der eBay-eigene Bezahldienst, und zwar so schnell, dass er bald alle anderen Business-Zweige eBays überholen kann.

Während des Gesprächs beobachtet er auf seinem iPhone eBay-Auktionen, bei denen eine Skibrille angeboten wird, kauft dann jedoch eine ganz neue Brille. Warum tut er das, frage ich mich? Ganz einfach, weil er mich einfach darauf hinweisen will, dass eBay sich in den letzen Jahren verwandelt hat. 70% der Waren, die mittlerweile auf eBay verkauft werden, sind Neuwaren und 55% der Transaktionen sind Festpreis-Geschäfte. Das alles ist weit davon entfernt, was eBay noch vor ein paar Jahren darstellte, als nur Auktionen zählten und eBay in der Hauptsache von Leuten genutzt wurde, die einen Frühjahrsputz veranstalteten und die aussortierten Dinge auf eBay veräußerten.

Mit anderen Worten, eBay gleicht sich immer mehr Amazon an, aber mit einem Unterschied: eBay hat einen ganzen neuen Marktplatz für traditionelle Einzelhändler geschaffen, die ihre Vorsaison-Waren verkaufen möchten, diese aber nicht neben aktuellen Saisonartikel anbieten wollen. „Das klassische Problem von Händlern ist, den Lagerbestand abzuschreiben. Sie müssen diesen bewegen … Wir schätzen, dass dieser Markt weltweit etwa einen Wert von 500 Milliarden Dollar hat. Und 70-80% der Neuwaren auf eBay ist alter Lagerbestand.“

Zwischendrin bestellt Donahoe Porridge. Das frühe Treffen heute war seine Idee, denn er ist zu beschäftigt, um mich anders „unterzubringen“. Das Unternehmen eBay wächst derzeit in Europa schneller als in den USA, und der britische Arm ist immer noch die Nummer 1 der E-Commerce-Seite und das noch nach 10 Jahren.

Das Smartphone ist der neueste Weg eBays Kunden auf die Plattform zu bringen. „Dieses Gerät existierte vor 3 Jahren so noch nicht“, erklärt Donahoe und winkt mit seinem iPhone. Dann, vor 15 Monaten, brachten wir die eBay-Applikation auf den Markt und machten alleine damit etwa 600 Millionen Dollar Umsatz im letzten Jahr. Und dieses Jahr wird es noch mehr werden.�

PayPal hat kürzlich als erstes globales Zahlungsunternehmen seine Softwareplattform für Drittentwickler geöffnet. Aber die globale Zahlmethode ist ein anderes Geschäft als der Online-Einzelhandel. Warum sollte man PayPal und eBay zusammen behalten? „Weil wir 2 Kern-Geschäfte haben können“, sagt Donahoe. „Sicher, PayPal ist gerade auf dem Weg dazu, größer zu werden als eBay und deckt den kompletten elektronischen Handel ab. Zudem hat PayPal auch mehr Potential als jedes andere Geschäft, das ich in meiner Karriere gesehen habe. Und wir behalten es, weil es Synergien gibt, die auch Kapitalanleger verstehen.“

Andere denken, dass Donahoe PayPal verkaufen sollte, aber er ist ein störrischer Business-Mann.  Er wischt auch mit einem Achselzucken die Gehässigkeiten weg, die er schon wegen der vielen Änderungen auf eBay ertragen musste und sagt selbst: „Ein kleines bisschen ist das, was ich tue, das, was Maggie Thatcher in  Großbritannien gemacht hat – nicht populär, nicht leicht, aber es half, Großbritannien in die Weltwirtschaft zu bringen.“

Was bei eBay als Unternehmen ein wenig ungewöhnlich ist, ist die Bandbreite von verschiedenen Benutzern, die sich auf dem Online-Marktplatz tummeln: Von Privatpersonen bis hin zu Großhändlern, die ihren gesamten Lebensunterhalt auf eBay verdienen, kann man alle finden. Die Änderungen von Donahoe jedoch, einschließlich Modifizierungen der Gebühren und Feedback oder kostenfreiem Versand haben das Gleichgewicht hin zu größeren Verkäufern verschoben. Wird eBay den kleinen Verkäufer nun hinter sich zurücklassen? „Überhaupt nicht“, lächelt Donahoe. Kleine Verkäufer können ja auch noch das Versteigerungsformat verwenden, oder sie können auf Gumtree, der kostenfreien Kleinanzeigenseite eBays ihre Waren anbieten. Aber die Zeiten haben sich geändert. Käufer wollen ihre Waren am liebsten sofort, spätestens aber am nächsten Tag haben. Professionell verpackt und mit der Möglichkeit sie zurück zu schicken. Donahoes Priorität liegt daher jetzt bei der Käufer-Erfahrung.

Intern heißt es auch, dass Donahoe die Organisation weniger politisch gestaltet hat, indem er unter anderem den Kader von Senior Managern, die alle noch Whitman umgaben, reduziert oder entfernt hat. Diese Änderungen scheinen sich auch auszuzahlen. Das beruhigt auch diejenigen in der nächsten Umgebung von Donahoe, die sich sorgten, als er sich eBay anschloss. Bob Bechek, der bei Bain&Co den Softwaresektor unter sich hatte, sagt, dass er versuchte, seinem Freund eBay auszureden, da der E-Tailer unter großem Druck zu stehen schien.

Dan Rosenweig, Chief Executive von Chegg.com, war der Meinung, dass Donahoe besser zu traditionelleren Unternehmen gepasst hätte. „Für Donahoe war es eine große Gefahr. Er folgte einer Legende, die Gesellschaft benötigte Investitionen, der elektronische Handel war stärker gewachsen als eBay, die Wirtschaft war auf dem Abwärtstrend …, aber John ist ein unglaublicher Stratege.“ Donahoe sagt, dass er einfach nicht widerstehen konnte. „Meg rief mich an. Sie brauchte einen Nachfolger. … Sie wussten, dass sie einen Wandel vornehmen mussten. Und ich verliebte mich einfach in die Werte des Unternehmens.“

Der eBay-Chef nimmt seine Rolle ernst. Er schreibt das seinem Vater, einem Buchhalter bei Price Waterhouse in Chicago zu, der in ihm diesen Wunsch des „Leitens“ erweckte. „Ich liebte es zu sehen, welchen Einfluss mein Vater auf andere Menschen hatte. Er gab ihnen immer das Gefühl wichtig zu sein.“ Donahoe versucht das ebenfalls umzusetzen. Er war Partner bei Bain, und das schon im Alter von 32 Jahren und er war der Kopf der globalen Gruppe. Dort sagte er, lernte er das Mannschaft-Ethos: „Wir übten uns in „Servant Leadership“ [Prinzip der der dienenden Unternehmensführung, bei der man sich der eigenen Menschlichkeit stellt, und versucht ein sorgsames Miteinander aufzubauen und zu pflegen]. Die meisten Organisationen stellen leitende Angestellte ganz nach oben. Mein Prinzip aber ist, der Kunde ist an der Spitze. Danach kommt der Mitarbeiter. Jeder andere, der sonst noch da ist, hat seinen Platz um jenen Leuten zu helfen, die versuchen den Kunden einen Mehrwert zu geben.“ Donahoe  hat versucht diese Ethik von Bain zu eBay zu transportieren.

Noch jedoch steht Donahoe einem unangenehmen Balanceakt gegenüber: Direkter Konkurrenzkampf mit Amazon und anderen Mitbewerbern. Und die Ausbreitung von Rivalen, die sich auf Nischenprodukte spezialisiert haben, ist gleichfalls eine wirkliche Bedrohung. „Wir behalten unser Auge auf diesen Nischen-Spielern und dann kaufen wir sie“, sagt er lachend. Die Erfolgsbilanz an Akquisitionen bei eBay ist jedoch durchwachsen. Derzeit befindet sich eBay in einem Rechtstreit mit Craigslist wegen der nicht genau definierten Anteile am Unternehmen und auch mit den Skype-Gründern befand man sich im Streit, bis eBay dann im letzten Jahr 70% von Skype an eine Investorengruppe verkaufte. War das alles ein Fehler? Donahoe schüttelt mit dem Kopf: Wir dachten es gäbe Synergien mit Skype und den anderen Bereichen, aber dem war nicht so.“

Könnten eBay und Amazon eventuell fusionieren? Er zieht ein Gesicht. „Ich denke mit der Zeit wird der elektronische Handel der Offline-Welt ähneln: Es wird vielfache Gewinner geben, und nicht nur einer wird den Ruhm einheimsen. Und Donahoe fegt auch die Gerüchte beiseite, dass eBay ein Gebots-Ziel für Microsoft oder Google sein könnte. „Wir haben einen Marktwert von 28 Milliarden US-Dollar. Wie viele Akquisitionen im Wert von 28 Milliarden Dollar haben Sie gesehen?

Bevor ich ihm noch eine Frage zu PayPal stellen kann, hat er sein Porridge aufgegessen, richtet seine Krawatte und vorbei ist es. „Danke“, sagt er höflich. „Es hat Spaß gemacht.“