Ordnungsstrafe für eBay im Kampf für die Wahlfreiheit europäischer Verbraucher

Der Rechtsstreit zwischen eBay und dem Luxusgüter-Hersteller LVMH (Moët Hennessy Louis Vuitton) scheint eine schier unendliche Geschichte zu sein. Bereits im Jahr 2007 erhob LVMH in 3 parallelen Prozessen Klage gegen das Unternehmen eBay wegen angeblichen Verstoßes gegen selektive Distributionssysteme und angeblichen Verkaufs von Plagiaten auf den Online-Marktplätzen eBay. Die angesprochene selektive Distribution ist eine Vertriebsform, bei der ein Hersteller, in diesem Fall LVMH, seine Artikel nur über exklusiv ausgewählte Verkaufsstellen innerhalb einer geographischen Region veräußert. Der Luxusgüter-Hersteller argumentierte vor Gericht, dass das Unternehmen eBay keine ausreichenden technischen und personellen Ressourcen einsetzen würde, um den Verkauf von Produkten unter Umgehung des selektiven Distributionssystems oder den Verkauf von Fälschungen zu stoppen. Auch kritisierte die LVMH-Gruppe, dass eBay seinen Status als Hosting-Provider ausnutze.

LVMH legte in den Gerichtsunterlagen detaillierte Informationen zu lediglich 1.341 der 200 Millionen Artikel vor, die sich täglich bei eBay im Angebot befinden. Nach Einschätzung von eBay wurden diese Artikel von Nutzern eingestellt, die bewusst versuchten, die von eBay eingesetzten umfassenden Systeme zu umgehen. Bei insgesamt 1.091 (81%) der von LVMH vorgelegten Angebote waren die zum Verkauf stehenden Artikel vom Verkäufer nicht richtig beschrieben, enthielten eine falsche Schreibweise oder gar keine Nennung des Markennamens oder waren nur über eingestellte Bilder des Produkts identifizierbar (227/16,9%).*

Am 30. Juni 2008 verurteilte das Handelsgericht Paris eBay zur Zahlung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 35,48 Millionen Euro in den beiden Prozessen, in denen es um die Offerten von Fälschungen ging. Zum zweiten Mal bereits wurde eBay, diesmal vom Handelsgericht in Paris, vorgeworfen, den Handel von gefälschten Markenwaren nicht ausreichend verhindert zu haben, denn den gleichen Vorwurf musste sich eBay schon im Rechtstreit mit Hermès International gefallen lassen. Ebenso am 30. Juni 2008 wurde eBay außerdem zur Zahlung einer Ordnungsstrafe von 3,052 Millionen Euro verurteilt, wegen Verstoßes gegen Abmachungen über eben diese selektiven Distributionssysteme. Zudem erließ das Gericht eine Unterlassungsverfügung, bei der es um den Verkauf von 6 Marken der LVHM ging. Betroffen hiervon: Der Handtaschen- und Kofferhersteller Louis Vuitton, Christian Dior Couture, Kenzo und 3 weitere Parfüm-Kreateure.

Was aber heißt nun Unterlassungsverfügung?
Die Unterlassungsverfügung verlangt in diesem Fall von eBay, dass die französischen eBay-Nutzer daran gehindert werden, oben genannte LVMH-Produkte auf jeder eBay-Webseite auf der ganzen Welt zu kaufen oder zu verkaufen. So soll der französische Online-Marktplatz eBay die genannten Waren nicht aufführen und französische eBay-User sollen weder auf eBay.de, eBay.co.uk oder den anderen Marktplätzen weltweit Dior-Parfum anbieten oder kaufen dürfen. Nutzer anderer Staaten (außer Frankreich) sind jedoch nicht von der Unterlassungsverfügung betroffen und können die Produkte der LVMH-Gruppe ganz normal anbieten und kaufen.

Wie ein eBay-Sprecher in Deutschland im Juni 2008 bereits mitteilte, geht es der Luxusgütergruppe in Wirklichkeit hier nicht um die Abwehr der Markenpiraterie, sondern eher um das Unterbinden des freien Wettbewerbs. „Wenn auf unserem Marktplatz gefälschte Produkte auftauchen, sorgen wir für eine schnelle Entfernung dieser Angebote. Hier aber geht es darum eigene Handelspraktiken des Konzerns zu schützen. Diese sollen den freien Wettbewerb verhindern – auf Kosten der Wahlfreiheit der Verbraucher und der Lebensgrundlage rechtschaffener Verkäufer€?, so der Sprecher weiter. Die französischen eBay-Nutzer werden auf unfaire Weise benachteiligt, da der Luxusgüter-Hersteller sie daran hindert, authentische Artikel im Internet zu kaufen oder zu verkaufen.

Wie setzt eBay die Unterlassungsverfügung um?
eBay nutzt hochmoderne Filtersoftware, um die Millionen von Angeboten zu kontrollieren, die täglich weltweit bei eBay eingestellt werden. In Befolgung der Verfügung und basierend auf einer von LVMH zur Verfügung gestellten Aufzählung „verbotener Markenartikel“ wurden von Seiten eBays tausende Offerten für französische Nutzer auf allen eBay-Seiten der Welt unsichtbar und unzugänglich gemacht. Ferner sperrte und entfernte eBay im Zeitraum zwischen Juli 2008 und Juli 2009 über 20.000 Angebote. Manuell überprüft wurden 200.000 Artikeleinstellungen und mehr als 9.000 aktive Angebote gesperrt. Die manuelle Überprüfung bedeutet, dass einzelne eBay-Mitarbeiter Artikel kontrollieren, die von der Filtersoftware als mögliche Verstöße gegen die Unterlassungsverfügung gekennzeichnet wurden. Nach erfolgter manueller Prüfung durch eben diese eBay-Mitarbeiter und Hinweisen von eBay-Usern sind mehr als 9.000 Angebote von den eBay-Webseiten entfernt worden. Ein unabhängiger von eBay beauftragter Experte erklärte, dass „eBay alle technischen Mittel, die dem Unternehmen zur Verfügung stehen eingesetzt hat, um den Unterlassungsverfügungen zu entsprechen“. Bei der für den 30. November 2009 angesetzten Anhörung sollte nun festgestellt werden, ob eBay der Unterlassungserklärung entsprochen hat. Sollte diese nicht der Fall gewesen sein, sollte ein angemessenes Strafmaß festgelegt werden.

Wichtig zur Beachtung: Die Unterlassungsverfügung sowie die Anhörung bezogen sich in keinster Weise auf Plagiate, sondern einzig und allein auf den selektiven Vertriebsweg.

Am 30. November 2009 nun hat das Pariser Handelsgerichts eBay dazu verurteilt 1,7 Millionen Euro Ordnungsstrafe zu zahlen. Die Ordnungsstrafe bezieht sich auf oben angesprochene Unterlassungsverfügung, die französische eBay-Nutzer daran hindert, Parfumprodukte von Dior auf allen eBay-Seiten auf der ganzen Welt zu kaufen oder zu verkaufen. eBay hat jetzt offiziell zu der Ordnungsstrafe Stellung genommen und bezeichnet die Ordnungsstrafe als unverhältnismäßig und sieht diese auch in keinster Weise im Einklang mit anderen juristischen Entscheidungen. Alex von Schirmeister, General Manager von eBay in Frankreich sagte: „Die heutige Entscheidung schadet den Verbrauchern, die daran gehindert werden, authentische Produkte im Internet zu kaufen und zu verkaufen. Die Unterlassungsverfügung stellt einen Missbrauch selektiver Vertriebssysteme dar. Sie wird benutzt, um einschränkende Vertriebsverträge durchzusetzen. Das ist wettbewerbsschädigend. Wir gehen davon aus, dass die übergeordneten Gerichte diese Entscheidung aufheben und gewährleisten werden, dass E-Commerce-Unternehmen wie eBay Käufern und Verkäufern auch zukünftig als Plattformen dienen, um mit authentischen Produkten zu handeln.“ Herr von Schirmeister ergänzte: „Angesichts der Tatsache, dass eBay der Unterlassungsverfügung nachgekommen ist, ist die Ordnungsstrafe selbst unverhältnismäßig. Sie ist in keinster Weise im Einklang mit den juristischen Erfolgen von eBay in Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Belgien und den USA.“

eBay hat in allen Fällen Berufung eingelegt. Die Anhörungen wurden auf den 27. Mai 2010 (Plagiat-Prozesse) und den 28. Mai 2010 (Distributionsweg) festgesetzt. Über die Sinnhaftigkeit der Urteile lässt sich trefflich streiten. Es geht hier um Parfums, die jeder in irgendwelchen Drogeriemärkten kaufen kann und nicht um Waren, bei denen Spezialkenntnisse vorhanden sein müssen, um diese zu veräußern.

Es handelt sich hier schlichtweg um eine Handelsbeschränkung seitens der Hersteller, die eigentlich durch das europäische Gesetz verboten werden müsste. Das Urteil protegiert nur die Hersteller, die nun weiterhin ihre Preise so hoch ansetzen können wie sie möchten, um einen realen Wettbewerb zu vermeiden.

Der Versuch die Gerichtsentscheidung dazu zu missbrauchen zwei unterschiedliche Dinge miteinander zu vermischen und Verkäufe zu unterbinden, macht deutlich, dass bestimmte Hersteller auf diesem Wege versuchen, die Kontrolle über den Markt und den Vertriebsweg zu verfestigen. Es ist aber sehr wichtig, die beiden Dinge separat zu beleuchten, weil sie verschiedenartig gelagert sind: Plagiate zerstören das Vertrauen der Käufer in eBay, Sonderangebote von Markenartikeln hingegen bringen die Käufer erst auf den Online-Marktplatz. Natürlich wollen die Händler keine Plagiate auf eBay, und eBay sollte weiter und verstärkt dagegen vorgehen. Sie sollten aber auch gegen Hersteller vorgehen, die nur die Kontrolle des Marktes als ihr Ziel ansehen. Vielleicht werden die verschiedenen Petitionen endlich dazu beitragen, dass hieran jetzt endlich gearbeitet. consumerchoice.eu könnte eine neue Chance für uns als Verbraucher sein, gegen nicht marktgerecht agierende und den Verbraucher benachteiligende Markenhersteller vorzugehen.

Durch den stark wachsenden globalen Handel und die neuen Möglichkeiten des Internet waren in den vergangenen Jahren viele neue Gegebenheiten zu berücksichtigen und die Markenhersteller haben teilweise durch die für Sie offensichtlich “plötzlich auftretendeâ€? Preistransparenz die bis dahin hohen Erträge schwinden sehen und versuchen nun, ihre strategischen Versäumnisse durch in meinen Augen unrechtmäßige Regulierungen der Märkte auszubügeln.

Haben wir nicht aus der Vergangenheit gelernt, dass jedwede Überregulierung oder massive Eingriffe in Märkte im Chaos enden und dauerhaft nicht funktionieren? Diesen Hersteller offenbar nicht! Bleibt zu hoffen, dass die potentiellen Kunden diese ungerechtfertigte Abschöpfung erkennen, dementsprechend handeln und die Produkte dieser Hersteller so lange aus Ihrem Warenkorb entfernen, bis die Märkte wieder unreguliert funktionieren können.

* Von Juli 2008 bis Juli 2009 legte die LVMH-Gruppe Berichte vor (Bailiff-Berichte), in denen verzeichnet wurde, bei wie vielen Artikeln auf eBay nach Ansicht des Luxusgüter-Herstellers ein Verstoß gegen die Unterlassungsverfügung vorgelegen hat. Davon waren jedoch lediglich 1.341 angebotene Artikel detailliert beschrieben und für diese galt Folgendes: 323 (24,1%) wurden von eBay vor dem Angebotsende, also vor dem Verkauf, entfernt. 315 (23,5%) hatten überhaupt keinen Bezug zur der Liste „verbotene Markenartikel“, 506 (37,7%) hatten in ihren Titeln nicht den geringsten Hinweis auf die Marken oder den Namen des fraglichen Artikels. 358 (26,7%) hatten in ihrem Titel oder in der Artikelbeschreibung entweder eine falsche oder verkürzte Schreibweise der fraglichen Produkte. 227 (16,9%) waren einzig über das eingestellte Foto identifizierbar