eBay Unternehmensbewertung einmal anders

Es ist das Los von großen und schnell gewachsenen Firmen, dass es fast unmöglich ist, Schritt zu halten und in dem gleichen Tempo fortzufahren. Das ist auch das aktuelle Schicksal von eBay. David Sterman, seit über 15 Jahren Aktienanalyst und Finanz-Journalist, hat sich diesem Thema gewidmet und stellt folgendes fest: In Zeiten wie diesen ist es notwendig, die Analyse eines Unternehmens von der Analyse seiner Aktien zu trennen, und das gilt momentan auch für eBay.

eBay sieht sich operativen Herausforderungen gegenübergestellt, die unüberwindbar erscheinen. Trotz seines außerordentlichen Cashflows und einer starken Bilanz sind die Aktienkurse von eBay so tief gefallen, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis sie auf der Watch List („Beobachtungsliste“) eines jeden Analysten stehen werden. Der Übergang von der früheren CEO Meg Whitman zum momentanen Management unter John Donahoe verlief nicht reibungslos.

Die ersten Schritte, die das neue Team unternommen hat, waren die Änderungen im Gebührensystem von eBay. Diese Maßnahmen waren unabwendbar, da eBay immer größeren Druck von Amazon oder auch Craiglist verspürte. Man musste sich von den Auktionen hin zu den Festpreis-Formatenbewegen. Die Veränderungen resultierten in kurzfristigem Druck auf die operativen Aktivitäten, da die Händler zunächst die Gebührenänderungen verdauen mussten. eBays Ziel war es einzig und allein, dem Unternehmen eine größere Präsenz in der weitgefächerten E-Commerce-Sparte, vor allem bei den B2C Transaktionen (Privatkundengeschäfte), zu geben. Denn der B2C-Markt wächst schneller als der Online-Auktions-Markt, was für Amazon.com von Vorteil ist.

Die Message für die eBay-Händler war klar: Verkauft eure Artikel zu Festpreisen, und ihr könnt Geld/Gebühren sparen.Wahrscheinlich sind alle aufkommenden Ängste überzogen und der gegenwärtige Rückgang in der Ökonomie hat weitaus mehr mit der Auktionsflaute zu tun, als die Neuerungen im Gebührensystem. Gleichwohl, eBay wird den Online-Auktions-Trend mit Argusaugen überwachen müssen und wahrscheinlich auch sein Gebührensystem in den folgenden Quartalen noch einmal zu überdenken haben. Und zwar genau dann, wenn ein beachtenswerter Rückgang der aktiven Nutzer bei den Versteigerungen stattfindet.

Man darf nämlich nicht vergessen, dass das virale, also das explosionsartige und sich wie von selbst verbreitende Wachstum, nach beiden Seiten hin funktioniert: eBay hat sich wie von selbst weit verbreitet und sich einen Markennamen geschaffen. Dadurch entstand eine schnell anwachsende Community. Diese wiederum brachte höhere Auktionspreise durch eine immer stärker anwachsende Anzahl von Bietern. Wenn Händler aber jetzt das Gefühl haben, dass die Webseite ihre Popularität und damit auch Kunden verliert, dann kann dies in einer ärgerlichen Abwärtsspirale enden. Das ist das, was der Aktienpreis uns gerade aufzeigt.

Aber die Aussichten, dass eBay in ein negatives Wachstum verfällt, sind sehr weit entfernt. Der Aktienverfall von eBay (und anderen Unternehmen) wurde durch den sich erholenden Dollar verursacht, da hierdurch die Anzahl an grenzüberschreitenden Transaktionen zurückgegangen ist, und damit der Zufluss von fremdländischen Währungen in die USA ebenso abgenommen hat. Laut Sterman wird der Dollar jedoch im Jahr 2009 erneut unter Druck geraten, und eBay damit wieder Rückenwind haben. Selbst wenn eBay in den nächsten Quartalen noch unter Gewinneinbrüchen in seinem Kerngeschäft leidet, wird das Unternehmen dessen ungeachtet weiter an seinem Gebührensystem herumbasteln, um möglichst effektiv den Konkurrenzkampf mit Amazon.com und anderen Plattformen aufnehmen zu können.

Auf lange Sicht, werden die Wachstumsraten die fortlaufende Expansion im E-Commerce widerspiegeln, der bislang nur 4% aller Einzelhandels-Verkäufe ausmacht, so ComScore. Wie eBay es schaffen wird, wieder auf den richtigen Weg zu kommen, um positive Wachstumsraten verzeichnen zu können, das bleibt abzuwarten. Einen speziellen Plan, wie eBay das erreichen könnte, gibt es noch nicht. Eines ist jedoch klar: Das Unternehmen besitzt bereits einen großen Marken-Bekanntheitsgrad, und den wird das Unternehmen sich nicht nehmen lassen. Der derzeitige Aktienkurs jedoch spiegelt diesen Umstand nicht wider und erst dann, wenn Investoren erkennen, dass das revidierte Preismodell Früchte trägt und Investoren die Chancen wieder positiv bewerten, wird sich der Aktienkurs den Innovationen anpassen.

Investoren betrachten allerdings nicht nur das Herzstück eBays, sondern ebenso die anderen Geschäftsbereiche, wie Skype oder PayPal. eBays Entscheidung, Skype zu kaufen, sieht mittlerweile eher aus wie eine strategische Fehlentscheidung, wenn man alleine an die Abschreibung denkt, die der Hälfte des Kaufpreises entsprach. Skype verzeichnet zwar ein immenses Wachstum und wirft nun auch geschäftsnotwendige Barmittel für eBay ab, doch die Frage ist, ob das über lange Zeit funktionieren wird. Investoren dagegen werden über die nächsten Jahre von den Barmitteln erst einmal beeindruckt sein. Sollte eBay einen Käufer für den Telefonie-Anbieter finden, dann werden sie aller Wahrscheinlichkeit nach auch verkaufen. Allerdings ist es in der momentanen ökonomischen Situation eher unwahrscheinlich, einen Käufer zu finden. Der Kauf von PayPal und nun auch Bill Me Later scheint viel klüger gewesen zu sein. Nicht nur, dass die beiden Einheiten den Handelsverkehr auf der eBay-Seite ankurbeln können (was durch Skype nicht passiert), sie spielen auch allgemein im E-Commerce eine große Rolle. Und auch hier könnte der Bargeldumlauf die Investoren beeindrucken.

Das Problem von eBay also liegt, wie bekannt, in seinem Kerngeschäft. Noch erzielt eBay geschätzte 70% an Umsatz aus diesem, aber der Einbruch in diesem Segment hat zu reduzierten Wachstumsraten in allen Bereichen des Unternehmens geführt. Doch auch wenn eBay sich gerade in einer Periode des langsamen Wachstums befindet, sollten Investoren dennoch gründlich hinschauen, um den aktuellen Pessimismus besser einordnen zu können. Das Unternehmen hat zurzeit Aktien im Wert von 1.3 Milliarden Dollar im Umlauf, hat einen Marktwert von schätzungsweise 17.6 Milliarden Dollar und etwa 3 Milliarden US-Dollar an Bargeld, gerechnet nach dem Kauf von Bill Me Later.

eBay hat einen grossen Teil des Cash-Flow dazu benutzt, um die Anzahl der Aktien außerhalb des Konzerns zu reduzieren. So haben die Verantwortlichen seit dem Q3 2006 180 Millionen Aktien zurückgekauft, damals noch zu einem Kurs von 29.67$. Kontinuierliche Rückkäufe der Aktien mit dem vorhandenen freien Cash-Flow sind derzeit das Beste, was eBay tun kann, vor allem bei einem Aktienkurs von $15. Wahrscheinlich wird der Rückkauf in den nächsten Quartalen etwas nachlassen, da der amerikanische Bargeld-Markt nach dem Bill Me Later Ankauf erst wieder aufgebaut werden muss. Ab nächstem Frühjahr dann kann man wieder mit vermehrten Rückkäufen der Aktien rechnen. Die momentane Cash-Flow-Situation würde einen Ankauf von mindestens 150 Millionen Aktien pro Jahr erlauben, wobei es trotzdem noch möglich sein wird, einen annehmbaren Bargeld–Level aufzubauen. Angenommen dass dieses so erfolgen wird, kann man mit einer 10%-igen Rücknahme der außenstehenden Aktien im Jahr 2009 und mit 13% in 2010 rechnen. Bleiben alle anderen Faktoren gleich, würde der Wert pro Aktie um einen entsprechenden Betrag steigen.

Um es noch einmal klarzustellen: Das Unternehmen erfährt einen Gegenwind, der vor Jahren noch unvorstellbar gewesen wäre. Aber der unaufhaltsame Marsch hin zum E-Commerce, verbunden mit der immer noch beachtlichen Online-Präsenz von eBay, der gesunden Bilanz, dem beeindruckenden Cash-Flow und dem ansehnlichen Unternehmenswert, all dies zusammen betrachtet, liegt der Aktienwert unter seinem tatsächlichen Niveau.