Was macht Amazon anders als eBay – ein kleiner Blick hinter die Kulissen

Die renomierte New York Times beschäftigt sich in der letzten Zeit in ihren Artikeln häufig mit dem  E-Commerce und mit zwei der mitbestimmenden Faktoren in diesem Geschäft, den beiden Online-Giganten eBay und Amazon. Hat eBay in der Entwicklung der letzten Jahre etwas verpasst, was hat Amanzon anders gemacht, wie wird das Geschäft in Zukunft aussehen?

Als eBay vor 7 Jahren aus der letzten Rezession hervorgegangen ist, sagte Meg Whitman: „In gewisser Weise ist eBay der Rezessions-Beweis.“ Frau Whitman zog sich Anfang des Jahres von eBay zurück, just zu dem Zeitpunkt als eBay unter einer gewissen Stagnation litt. Amazon hat sich in der Zwischenzeit zu einem dynamischen und verlässlichen Händler entwickelt. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass Internet-Unternehmen unter der momentan ökonomischen Krise leiden, ist die Entlassung von 10% der eBay-Mitarbeiter.

Whitmans Nachfolger, John Donahoe stellte fest, dass eBay die Effekte des Abschwungs auch merkt. „Auch wir sind nicht immun dagegen“, so Donahoe. Vom E-Commerce dachte man immer, dass es ein sicheres Refugium sei in wirtschaftlichen Stürmen. Man ging immer davon aus, dass Leute, die nicht mehr in Einkaufszentren gehen, ihr Geld dann beim Online-Shopping auf der Suche nach Schnäppchen lassen. Analysten greifen diese Vermutung jetzt wieder auf.

Viele befragte Verbraucher gaben mit dem Hintergrund einer unsichern Wirtschaft an, dass sie auch in der Vorweihnachtszeit ihren Gürtel enger schnallen werden, egal wo sie einkaufen. Bei einer Umfrage von eBillme erklärten 48% der befragten Personen, dass sie Einkäufe auf später verschieben werden. Die stationären Händler beklagten bereits im September einen überaus schlechten Handelsverkehr und sehen auch für die nahe Zukunft und das Weihnachtsgeschäft schwarz.

Keiner weiß, in welchem Grad es Online-Händler treffen wird, denn nie zuvor musste der Online-Handel eine solch lange Durststrecke überstehen. „Für dieses Jahr sieht es noch nicht so miserabel aus, aber das kommende Jahr könnte kritisch werden“, sagt Brian J. Pitz, Analyst der Bank of America. eBay und Amazon, die beiden Zwilings-Giganten des E-Commerce, werden von der finanziellen Krise in einer besonders harten Zeit getroffen. Nach Jahren des Erfolgs und Wachstums, in denen sich ihr Business gegenseitig ergänzte und nicht konkurrierte, sind die Unternehmen derzeit auf Kollisionskurs.

Amazon hat sein Balzverhalten auf kleine Händler erweitert, indem sie ihnen erlauben, auf ihrer Webseite Handel zutreiben – ganz wie eBay. Und eBay seinerseits, hat sich dazu entschlossen, mehr Nachdruck auf Festpreis-Formate zu legen, egal ob für neue oder gebrauchte Waren – ganz wie Amazon. Außerdem zählt im Internet die Größe. Größere Unternehmen können mehr Informationen über Verbraucher sammeln, bessere Deals mit Partnern aushandeln und dieses Level dazu nutzen, um ihre Dominanz auszudehnen. Jeffrey Lindsay, Analyst bei Bernstein Research, der das Internet seit Jahren verfolgt, erläutert: „Dieses Weihnachtsgeschäft wird ein Schlüsselmoment für eBay werden.“ Das Kräfteverhältnis im E-Commerce verändert sich schneller, als man es erwartet hat. 3 Jahre zuvor hatte eBay 30% mehr an Besuchern als Amazon, jetzt liegen eBay nur noch knapp vor Amazon, mit 84.5 Millionen aktiven Nutzern und 81 Millionen, die Amazon im Juni gemeldet hat.

Vielleicht kann ein Rückblick auf die vergangenen Jahre die momentane Situation eBays verständlicher machen: Im Jahr 2005 lag eBays Marktkapitalisierung dreimal so hoch wie bei Amazon, zu Zeiten als die Wall Street es noch hoch schätzte, ein Unternehmen zu bewerten, dass ohne große Lagerbestände auskam, und mit garantierten hohen Profiten aufwartete. Jetzt, im Jahr 2008, kam Amazon in der Bewertung zum ersten Mal besser weg. John Donahoe erklärte in einer Reihe von Interviews, dass sich eBay nicht schnell genug an die Veränderungen des neuen E-Commerce-Marktes angepasst hätte. Daher versucht er nun die Leute auf seinen Marktplatz zu ziehen, die keine Zeit mehr für Auktionen verschwenden möchten. „Es gibt Zeiten, in denen ich den Laden einfach schliessen möchte um neu anfangen zu können, aber das geht nicht. Wir müssen Zäsuren machen, mehr aggressive Veränderungen herbeiführen, auch wenn wir uns damit unbeliebt machen“, meint Donahoe.

Jeffrey P. Bezos, Boss von Amazon: „Nach Jahren oft fehlgeschlagener Experimente machen unsere Drittverkäufe mittlerweile 29% der Absätze aus. Wir mussten lange harsche Kritik über zu hohe Fixpreis-Kosten hinnehmen, letztes Jahr konnten wir Investoren zum ersten Mal mit einem beschleunigten Wachstum überzeugen.“ Die Risikobereitschaft von Amazon und das Wagnis neue Wege zu gehen, lässt Amazon heute so erfolgreich sein. „eBay hätte es schaffen können Amazon davon zu laufen. Gerade auch in der Zeit, als Amazon noch eine Plattform war, auf der nur Bücher und Musik verkauft wurden“, so Scott Devitt, Experte bei Stifel, Nicolaus &Co, der Investmentbank. Leider überließ man zu dieser Zeit den Marktplatz sich selbst, und die anderen hatten Zeit sich weiter zu entwickeln.

Über den Sommer 2004 hinweg, als sich die eBay-Verantwortlichen zu ihrer jährlich stattfindenden „Telluride“ trafen, machte das Produkt-Strategie-Team den Vorstoß, dass eBay dringend in die Welt der digitalen Medien eintauchen müsse. Man sollte auf jeden Fall auf dieser Welle mitreiten. Diese Einsicht – die Amazon vollzogen hat und die mittlerweile für Profit sorgt- verpuffte bei eBay im nichts. Ein ehemaliger Beteiligter bei diesen Gesprächen erklärte: „Niemand ging dieses Thema an. Man wollte sich nur um gute Quartalszahlen bemühen – alles andere war unwichtig.“ Ob es nun ein Fehler war oder nicht, die digitalen Medien außen vor zu lassen, ist immer noch eine offene Frage. Aber man kann hieraus Schlüsse über andere Probleme ziehen.

Viele ehemalige Mitarbeiter von eBay, aus allen Etagen des Managements, sagen mittlerweile, dass eBay es des Öfteren verpasst hat, sich neu aktuelle Marktsituationen einzustellen. Eigentlich wusste eBay schon seit Jahren, dass es einige Web-Käufer gab, die auf neue, andersartige Erfahrungen warteten, das bestätigten verschiedene Umfragen. Diese ergaben nämlich auch, dass einige Auktionsteilnehmer von unseriösen Händlern abgeschreckt wurden an Versteigerungen teilzunehmen und lieber im Festpreis-Format eingekauft hätten. Doch es gab bis dahin keine Schritte in diese Richtung.

Anstatt Lösungen für das sich verlangsamende Auktions-Modell zu finden und sich dem zu stellen, suchte man nach anderen Möglichkeiten das Wachstum von eBay anzukurbeln. So kaufte man beispielsweise Skype, den Telefonie-Anbieter, StubHub, eine Ticket-Webseite und verschiedene Kleinanzeigen-Portale. Beim Herzstück, den Auktionen geschah nichts. Dann kreierte man eine völlig neue Webseite, nämlich eBay-Express, auf der man versuchte, die Käufer zufriedenzustellen, die ein einfacheres Einkaufserlebnis suchten. Aber der Handelsverkehr, in dem zweijährigen Bestehen der Webseite, brachte nicht den gewünschten Erfolg.

Immer häufiger trat intern nun die Frage auf: Was ist eBay? Eine Fraktion der Verantwortlichen plädierte dafür, dass eBay ein Discount-Palast ist, in dem den Käufern Gegenstände angeboten werden müssen, und zwar in den Einkaufsformaten, die Verbraucher sich wünschen. Die andere Partei hielt daran fest, sogar noch bis zum letzten Jahr, dass eBay nichts anderes sein könnte als eine Online-Auktionsplattform. Bill Cobb, damals Präsident von eBay Nordamerika schrieb im Juni 2007 in einem Blog: „Heutzutage ist Internet-Shopping alltäglich und wird langsam langweilig. Wir von eBay investieren daher weiter in den Person zu Person-Verkauf und das in Form von Versteigerungen.“ Meg Whitmann versuchte damals die beiden Fronten zu zügeln, ohne je ein Machtwort zu sprechen. Sie machte allerdings auch den Eindruck, als wolle sie gleichermaßen an den Versteigerungen festhalten. Letzte Woche als sie mit Sarah Palin durch Amerika reiste, sagte sie in einer Pause zu einem Journalisten: „Es war hart für mich darüber nachzudenken, dass es diese zwei Fronten im Unternehmen gab. Ebenso fiel es mir schwer, über verpasste Chancen zu reflektieren. … Wir versuchten jedenfalls immer den besten Job zu machen.“

Whitman sprach auch das Thema Google an. Einige eBay-Verantwortliche warfen ihr vor, herablassend auf Google zu schauen. Whitmann: „… Google ist kein Marktplatz und ebenfalls kein Einzelhändler. Sie haben eine andere Art und Weise Käufer und Verkäufer zusammenzubringen.“ Jedoch soll die Furcht vor Google zu verschiedenen strategischen Fehltritten bei eBay geführt haben, so auch die Akquisition von Skype, an dem Google desgleichen interessiert war. Und um in diesem Fall zu „gewinnen“, wurde von eBay Energien verpulvert, die anderweitig hätten eingesetzt werden müssen.

Verfolgt man Interviews mit Amazons Jeff Bezos erkennt man die Unterschiede zwischen den beiden Konzernen in den letzten Jahren. Während Bezos meint, dass es besser ist „Samen auszusäen und 5-7 Jahre zu warten, um die Früchte zu ernten und etwas Vernünftiges auf die Beine zu stellen“, war eBay damit beschäftigt Kleinanzeigen-Portale, Telefonie-Anbieter oder Online-Bezahldienste aufzukaufen. Amazon frustrierte Investoren mit dem Einstieg in die digitalen Medien und zog sich den Zorn dieser zu, aber produzierte gleichzeitig ein vielversprechendes Business mit dem MP3-Store.

In der jetzigen Zeit versucht Amazon, unabhängigen Händlern den Hof zu machen und sie zu umwerben, doch trotzdem ist die Auswahl, dessen was sie anbieten, geringer als bei eBay. Und in manchen Fällen liegen die Preise bei Amazon höher. So gibt es bei eBay Hunderte von Trekking-Fahrrädern, neu, gebraucht, aufgemöbelt; bei Amazon waren letzte Woche 3 im Angebot. Eltern können bei eBay für ihre Babies Sweaters der Nobelmarke Deux Par Deux, die im Normalfall 90$ kosten, für 30$ finden. Bei Amazon gibt es zwar auch ein paar, wenige Exemplare, aber fast zum Normalpreis. Und diejenigen, die gerne die Einkaufstasche von Lehman Brothers, die zum 150.-igsten Geburtstag herauskam hätten, finden diese exklusiv bei eBay und nur in Auktionen. Und genau hier setzt der CEO von eBay, John Donahoe, an, um eBay wieder auf den Weg zu bringen: Einen Web-Discount-Store zu erschaffen, der eine breitgefächerte Abwechslung bietet, an neuen und alten Sachen, zu erwerben in Auktionen und im Festpreis-Format. Um dieses Ziel zu erreichen muss er viele schmerzhafte, durchschlagende Lösungen präsentieren, die eBay  zuvor gemieden hat. „Es wurde mir im Jahr 2007 immer deutlicher, dass tiefgreifende Veränderungen durchzuführen sind…“.

Zunächst begann Donahoe intern aufzuräumen. Boni für eBay-Mitarbeiter werden nun jährlich und nicht mehr quartalsmäßig ausgezahlt, um Angestellte davon abzuhalten den Posten zu verlassen. Außerdem soll dadurch eine engere Bindung an das Unternehmen gewährleistet und längerfristiges Denken gefördert werden. Dann sagte er die eBay Live-Konferenz für 2009 ab und forderte seine Mitarbeiter auf, sich mehr mit den Interessen der Käufer zu beschäftigen, indem sie u.a. Umfragen lesen und auswerten sollten. Die signifikanteste Renovierung an eBays Fassade in den letzten 14 Jahren waren Gebühren-Änderungen, Feedback-Neuerungen und vieles mehr.

Eine andere umstrittene Innovation auf dem Online-Marktplatz eBay war der Deal mit Großhändlern wie Buy.com, der keine Einstellgebühr entrichten muss und eine Unmenge an Produkte listet. Viele kleinere Händler waren sehr verärgert darüber und haben sich auch im Internet Luft gemacht über ihre Frustration. Für Außenstehende ist es schwer zu beurteilen, ob diese Stimmen die Mehrheit vertreten. Andere Stimmen von größeren Verkäufern erklären, dass sie von dem Deal profitiert haben. Dennoch, John Donahoe kann nicht allein auf diese Stimmen vertrauen um den Sieg davon tragen zu können.

Für eBay sind die Veränderungen Gegenstand des Überlebens. Gleichzeitig muss John Donahoe auch noch sehr schwierige Entscheidungen treffen, wie den möglichen Verkauf von Skype. Analysten sehen ihn bereits diesen Schritt zu tun, da man beim Unternehmen inzwischen festgestellt hat, dass es zwischen Skype und den anderen Geschäftszweigen kaum Synergien gibt. Der Verkauf würde von eBay eine gewisse Last nehmen, und man könnte sich wieder mehr auf das Kerngeschäft Marktplatz konzentrieren und auf einen immer stärker werdenden Herausforderer, der täglich größere Übergriffe startet. John Donahoe äußert sich folgendermaßen zu Amazon: „Ich respektiere Jeff Bezos sehr als Chef, auch Amazon und was sie geschaffen haben. Jedoch stehen wir noch am Beginn dieses Industriezweigs und E-Commerce macht nur 7% des Handelsverkehrs aus. Ich glaube es gibt niemanden der denkt, dass wir hier schon am Ende sind. Wir sind der Meinung, es gibt genügend Platz sowohl für Amazon als auch für eBay erfolgreich zu sein.“