Computersucht wird immer mehr zum Thema

Im Jahr 2007 hat der Sozialpädagoge Markus Babst zusammen mit anderen Experten die Stiftung Medien- und Onlinesucht gegründet. Ein Segen für eine Mutter, deren Sohn fast 2 Jahre nicht mehr das Haus verlassen hat, weil spielen am Computer sein ganzer Lebensinhalt war. Als 16-Jähriger ging er am Vormittag noch zur Schule und verbrachte „lediglich“ die zweite Hälfte des Tages am Computer. Mit 17 hört er mit der Schule ganz auf. Ab jetzt zählte nur noch „Counter Strike“ – frühmorgens angefangen bis tief in die Nacht. Unterbrechungen gab es nur zum Essen und für den Gang zur Toilette.

Seine Mutter schaute zu bis zum Jahr 2007, dann endlich nimmt sie Kontakt zum Sozialpädagogen Markus Babst auf. Die Stiftung von Babst betreibt auch eine überregionale Präventions- und Beratungsstelle in Lüneburg, die erste ihrer Art in Niedersachsen. „Der Werdegang des Jungen ist typisch für viele der geschätzten 1 bis 2 Millionen Deutschen, die eine Mediensucht entwickelt haben. Bei dem Jungen wurde eine Depression diagnostiziert, die behandlungswürdig ist“, so Babst.
Soziale Probleme, Ängste und Persönlichkeitsstörungen können aber genauso zu übermäßigem bis hin zu süchtigem Medienkonsum führen. „Fast alle Süchtigen ziehen sich zurück und bauen ein neues Leben im Netz auf“, berichtet Babst.
In den meisten Fällen handelt es sich um männliche Jugendliche oder junge Männer, die einen Rausch beim Surfen und Sammeln von Programmen, Informationen oder Musik im Internet suchen, oder sich exzessiv mit Computerspielen beschäftigen. Stiftungsvorstand Bernd Werner erklärt: „Oft erschöpft sich das Suchtprofil nicht nur in maßlosem Surfen oder Spielen. Gleichzeitig können auch noch das Fernsehen und Drogen wie Alkohol eine Rolle spielen.“ Mädchen hingegen bewegen sich eher in Chat-Räumen. Aber auch deren Handynutzung ist durchaus ein Thema, denn das Schreiben von SMS nimmt mittlerweile exzessive Formen an.

Medien- und Onlinesucht ist bisher rechtlich noch nicht als Krankheit anerkannt. Universelle Diagnosekriterien oder Behandlungswege gibt es ebenso wenig. Hieran will die Stiftung auch arbeiten. Die Fachleute sprechen dann von Missbrauch, wenn Menschen ein Medium täglich über 4 Stunden konsumieren und wenn das Medium zum Dreh- und Angelpunkt des Lebens wird. Werner erklärt hierzu: „Werden Partnerschaften, Freundschaften, Hobbys, Schule oder Beruf zugunsten eines Spiels zurückgestellt, ist das ein Warnsignal.“ Sucht ist es dann, wenn der Konsum fortgesetzt ansteigt und auch Entzugserscheinungen wie Unruhe, Nervosität, Frustration, Gereiztheit und Aggressivität auftreten. Das Problem, wie bei allen anderen Suchtarten auch: Kaum ein Süchtiger erkennt von alleine, dass er längst abhängig ist. „Meist melden sich Eltern oder Partner“, erzählt Werner. Diese können sich an der Hotline der Lüneburger Fachstelle beraten lassen. Ein Sozialarbeiter und ein Psychotherapeut gehen auch in die Familien, empfehlen Therapien und bieten Medientraining für Eltern sowie Präventionsseminare an.