Auch krasses Missverhältnis zwischen Preis und Wert der Ware verpflichtet den Verkäufer bei eBay zum Verkauf

In dem Fall ging es um einen sog. Rübenroder, also eine größere, landwirtschaftliche Maschine, im Wert von (unstreitig) 60.000 €. Der Beklagte bot diese bei der Internetauktionsplattform eBay zum Verkauf an. Dabei legte er neben der sog. Sofort Kaufen-Option, die er in Höhe des Wertes der Maschine bei 60.000 € festsetzte, auch einen Auktions-Startpreis in Höhe von 1 € fest. Der Kläger ersteigerte die Maschine für 51 €. Daraufhin weigerte sich der Beklagte, die Maschine dem Kläger zu übergeben. Dies begründete er damit, dass er das Angebot wieder zurücknehmen wollte, dies aber (technisch) nicht hinbekommen habe. Anschließend klagte der Käufer auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Kaufvertrages und das Gericht gab ihm Recht.

Urteil

Das Gericht prüfte zunächst, ob angesichts der Diskrepanz des Startpreises der Auktion bei 1 € und der Festsetzung der Sofort-Kaufen-Option bei 60.000 € ein widersprüchliches Verkaufsangebot vorläge. Dies sei jedoch nicht der Fall, da eBay einerseits diese Kopplung anbiete und andererseits vom maßgeblichen Empfängerhorizont lediglich der Eindruck entsteht, dass der Verkäufer durch die Einstellung von zwei Angebotsvarianten auf die Internetauktionsplattform mehr Käufer ansprechen will.

Im Kern des Urteils ging das Gericht auf § 138 II und § 138 I BGB ein. Nach § 138 II BGB ist ein Geschäft – und damit ein Kaufvertrag – nichtig, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zur Leistung stehen. Jedoch bezweifelte das Gericht zum einen bereits das Vorliegen eines dieser Schwächemerkmale auf Seiten des Beklagten, da dieser kein unerfahrener eBay-Nutzer sei, zum anderen verneinte es das Vorliegen des subjektiven Elements des Ausnutzens einer möglichen Schwäche auf Seiten des Klägers. Deshalb schied eine Unwirksamkeit des Kaufvertrages aufgrund von § 138 II BGB aus.

Das Gericht sah zudem keine Nichtigkeit aufgrund eines Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 I BGB. Für die Sittenwidrigkeit – so das Gericht – reiche das hier zweifelsohne besonders krasse Missverhältnis zwischen Preis und Leistung nicht aus. Das Gericht weiter:

Hinzutreten müssen vielmehr weitere sittenwidrige Umstände, wie etwa eine verwerfliche Gesinnung auf Seiten des Klägers. Denn auch bei einem objektiv wucherischen Geschäft ist § 138 I BGB nur dann anwendbar, wenn das Geschäft dadurch zustande gekommen ist, dass der wirtschaftlich oder intellektuell Überlegene die schwächere Lage des anderen Teils bewusst zu seinem Vorteil ausgenutzt hat.

Hierfür – so das Gericht weiter – biete der Vortrag des Beklagten indes keine hinreichenden Anhaltspunkte. Darüber hinaus betont das Gericht, dass es seine Aufgabe nicht darin sehe, mittels seiner Rechtsprechung misslungene Risikogeschäfte von Online-Verkäufern abzusichern. Der Verkäufer hätte als Verkaufsform die Internetauktion gewählt. Deshalb müsse er auch das Risiko dieser Verkaufsart tragen.

Eine Anfechtung der Willenserklärung wegen Erklärungsirrtum wies das Gericht ebenfalls zurück. Der Beklagte habe in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass er sich bei der Erstellung des Angebots über den Inhalt seiner Erklärung nicht im Klaren war. Dies sei jedoch kein gültiger, anerkannter Anfechtungsgrund. Des Weiteren würden zudem enttäuschte Geschäftserwartungen nicht zur Anfechtung berechtigen.
Das Gericht verneinte darüber hinaus ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers nach § 242 BGB, wonach der Schuldner verpflichtet ist, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Den Vorwurf des Beklagten, der Käufer brauche den Rübenroder überhaupt nicht, weshalb der Kauf rechtsmissbräuchlich sei, konnte der Kläger mit der Darstellung seines Umbauplans, aus dem Rübenroder ein Güllefahrzeug zu machen, entkräften.

Der Beklagte wurde vom Gericht zur Zahlung von 59.949 € Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Kaufvertrages zuzüglich Zinsen verurteilt.

Fazit

Es mag nicht neu sein, aber dennoch weiterhin wichtig: bei Geschäften im Internet ist jeder Schritt sorgfältig zu überlegen.

Wer einen wertvollen Gegenstand bei einem Auktions-Startpreis von 1 € bei eBay zum Verkauf anbietet muss damit rechnen, dass der Verkaufspreis nicht dem Wert des Gegenstandes entspricht.

Selbst bei krassem Missverhältnis zwischen Wert des Gegenstandes und dessen Verkaufspreis muss der Verkäufer den Gegenstand dem Käufer übergeben, es sei denn, er kann nachweisen, dass dieser rechtsmissbräuchlich handelt, etwa wenn dieser den Gegenstand nur ersteigert, um dem Verkäufer zu schaden.
Dieser Beweis wird dem Verkäufer jedoch nur selten gelingen.

Dies ist ein Beitrag von RA Max-Lion Keller, IT-Recht Kanzlei.

Die Münchner IT-Recht Kanzlei ist eine Sozietät, die sich auf das IT-und Vergaberecht spezialisiert hat, um ihren Mandanten eine professionelle und umfassende juristische Beratung in diesem Bereich sicherstellen zu können.