Meg Whitman in einem Interview über ihre Zeit bei eBay

Ein eher privates Interview mit Meg Whitmann, der ehemaligen CEO des Online-Marktplatzes eBay, erscheint in der Mai-Ausgabe von Portfolio.com. Hier vorab einige Eindrücke:

Frage: Nach nur 2 Jahren in ihrem Amt bei eBay sagten Sie, dass Sie 10 Jahre bleiben werden. Ich habe noch nie zuvor von einem CEO gehört, der seinen Abgang 8 Jahre im Voraus ankündigt. Sie aber standen zu ihrem Wort. Warum?

Whitman: Unser Business wechselt ständig und schnell. Veränderungen liegen hier in der Natur der Dinge.
eBay entwickelte sich von 30 Angestellten hin zu 16.000 in 10 Jahren. Und ich hatte einfach das Gefühl, dass 10 Jahre der richtige Zeitraum ist. Nach diesen 10 Jahren braucht eBay frischen Wind, einen neuen Chef, jemanden der den gleichen Enthusiasmus und die gleiche Energie an den Tag legt, wie ich es 10 Jahre lang getan habe.

F: Sie haben sehr oft auf Kritik und Beschwerden von eBay-Usern persönlich geantwortet.

W: Wissen Sie, da gibt es eine relativ persönliche Beziehung zwischen CEO und den Nutzern von eBay. Man muss sich zudem vorstellen, dass sehr viele ihren Lebensunterhalt bei eBay verdienen. Sie haben sich untereinander zusammengeschlossen, da sie die selben Interessen haben und wenn wir mit diesen Nutzern sprechen, hat auch eBay Vorteile davon und die Beziehung ist mehr als eine Geschäftsbeziehung. Man könnte fast sagen, eBay war die erste Social-Network-Plattform.

F: Was war die ungewöhnlichste Beschwerde, die Ihnen je zugetragen wurde?

W: Da erinnere ich mich an keine spezielle. Der größte Prozentsatz der Nutzer hat meine E-Mail-Adresse, so dass ich zwischen 50 und 1.000 Mails pro Tag erhalte. Und da wir das Zentrum des wirtschaftlichen Lebens für die Menschen sind, gibt es eine Menge an Kommentaren über praktisch alles, was die Leute bewegt. Und – das ist auch gut so. Denn wir wollen lieber eine Gemeinschaft, die engagiert ist und reagiert.

F: Das setzt voraus, dass Sie eine Menge an Fertigkeiten haben müssen, nenne Sie mir die 3 Wichtigsten.

W: Zunächst muss man organisieren können, das wird oft unterschätzt. Zweitens muss man mit seinem Verbrauchern umgehen können. Bei eBay heißt das, Verkäufer und Käufer unter einen Hut zu bringen, denn in den meisten Betrieben gibt es ja nur Käufer. Man muss versuchen diese Gegensätzlichkeit zu bewerkstelligen. Und zuletzt sollte man auch im Interesse des Unternehmens handeln.

F: Ihr Führungsstil wurde beschrieben als ein Informations-Sammelnder, nicht diktatorischer Stil.

W: Als Chef muss man Entscheidungen treffen (können). Dazu aber muss man vorher aber auch zuhören und das habe ich versucht zu tun, in dem ich unter anderem Informationen gesammelt habe und nicht von oben herab auf die Menschen geschaut habe.

F: Gibt es Entscheidungen, die Sie bereuen?

W: Vor allem zu Beginn bei eBay haben wir in einer Woche mehr Entscheidungen getroffen als andere in einem Jahr. Da gab es dann Preisabrechnungsfehler, Kommunikationsfehler mit den Nutzern, Strategie-Fehler. Doch wir haben daraus gelernt, Kritikern genau zugehört, und uns bemüht die Fehler auszubessern.

F: Was denken Sie über Menschen im allgemeinen und den eBay-User im Speziellen?

W: Grundsätzlich sind Menschen erst einmal gut. Das ist der Schlüsselpunkt. Überlegen Sie mal, als wir mit eBay anfingen haben wildfremde Menschen untereinander Geschäfte gemacht. Auch Investoren sagten damals zu uns, „das wird niemals gut gehen“. Ihrer Ansicht nach würde es innerhalb kürzester Zeit enorme Betrügereien, Diebstahl und anderes schlechtes Benehmen geben. Aber das Gegenteil war der Fall, denn 99,9% verhielten sich genau richtig.

F: Was war Ihr schrecklichster Moment?

W: Der Stromausfall im Jahr 1999. Da musste ich lernen der Technologie, die normalerweise eBay mit am Leben hält, zu unterliegen. 22 Stunden war die Webseite nicht online, dann kam sie für 8 Stunden zurück und fiel wieder für 8 Stunden aus. Der dunkelste Moment war, als mir der Techniker dann noch sagte, dass er nicht wisse, ob alles wieder auf die Reihe kommt. Ich konnte nichts anderes tun als der Anführer zu sein und alle anderen bei Laune zu halten. CNN belagerte unser Gebäude und alle 60 Minuten wollten sie ein Update von mir, so dass ich jede Stunde auf den Parkplatz ging und mit den Journalisten sprach. Ich verbrachte mehrere Nächte mehr oder minder schlafend in unserem Gebäude und es war eine wirklich bleibende Erfahrung. Dadurch, dass auch ich die ganze Zeit dort war, konnte ich auch von unseren Experten den bestmöglichen Einsatz verlangen – den sie dann auch brachten. Jede Firma schickte seine besten Leute ins Rennen um uns zur Seite zu stehen. So lag meine Führungsaufgabe einzig und alleine darin, anwesend zu sein.

F: Der Kauf von Skype im Jahr 2005, für 2,6 Milliarden US-Dollar, wurde kontrovers diskutiert. Wird sich der Kauf jemals auszahlen?

W: Was wir an Skype besonders liebten, war die revolutionäre Technologie, und das es eine der schnellst wachsenden Web-Geschichten war, die wir je gesehen hatten. Genau genommen ist es gerade mal das 4. Jahr von Skype und es ist schon größer als eBay nach 4 Jahren je war, PayPal, Yahoo und sogar Google es waren. Wir dachten uns, dass es eine Menge Synergien zwischen eBay und Skype gibt und es lohnenswert ist, sich anzustrengen. Keine Frage, in den ersten Jahren war es ein harter Kampf. Wir quälten uns mit dem damaligen Management, mussten eine in London ansässige Firma in San Jose integrieren und so weiter. Und dann letztes Jahr nahmen wir einige Veränderungen vor. Unter anderem wechselten wir das Management aus. Es wird interessant werden zu sehen, wie sich alles entwickelt, doch bin ich der Meinung, dass sich Skype zu einer profitablen Anlage in der eBay-Familie entfalten wird. Also bleiben sie dran!

F: Zu John Donahoe, Ihrem Nachfolger. Er versucht die Marke eBay wettbewerbsfähig zu halten. Was sagen sie denen, die sagen, Meg war die perfekte Person um eBay wachsen zu lassen, aber nicht um ein riesiges Unternehmen zu führen.

W: Nach 10 Jahren braucht ein Unternehmen einen frischen Wind, neue Perspektiven und das 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr und mehr als 150% Einsatz. Und so übergab ich die Zügel. John habe ich vor 3 Jahren angeworben, er kennt das eBay-Business, die Leute, die Herauforderungen, die Marke. Er trifft also auf eine Situation, mit der er bestens vertraut ist.

F: Welche Opfer mussten sie als Ehefrau und Mutter bringen?

W: In der letzten Dekade habe ich versucht 3 Dinge auf einmal zu tun. Eins war eBay. Das andere war, für meine Kinder eine gute Mutter zu sein und für meinen Mann eine gute Ehefrau. Aber es sind doch immer einige Sachen auf der Strecke geblieben. Mein Mann hat immer versucht mich zu unterstützen, er war in der Zeit ein unglaublicher Teamplayer. Als Neurochirurg ist er ja selbst genügend gefordert. Er verdient wirklich ein wahnsinniges Lob für sein Mitziehen und ich weiß nicht, ob ich ohne ihn überhaupt den Posten hätte ausüben können.

F: Wie lautet ihr eBay-User Name und welche Dinge haben sie schon ge- oder verkauft?

W: Den User-Namen gebe ich aus verständlichen Gründen nicht preis. Und gehandelt habe ich mit vielem auf eBay. Fast alles, was wir zu Hause privat kaufen, checke ich vorab auf eBay. Vorherrschend aber waren es Produkte aus den Kategorien Unterhaltungs- und Haushaltselektronik und Sport. So haben wir unseren Jungs alle Sportsachen auf eBay gekauft und nicht mehr passende wieder verkauft – und das über Jahre. Alle Computer, Laptops, Fernseher – alles von eBay. Aber manchmal auch Einrichtungsgegenstände oder Sammlerstücke.

F: Sie werden oft als „nett“ beschrieben. Im Büro ist das eine Sache, aber was, wenn Sie in die Politik gingen, könnten Sie dann auch damit umgehen?

W: Wissen Sie, das Attribut „nett“ ist eine gute Sache, egal ob im Geschäft oder in der Politik. Es ist eins der Dinge, worauf ich bei eBay sehr stolz bin. Egal wann und wo ich Leute treffe, sagen Sie mir, dass meine Leute so nett, so lässig und kompetent sind. Gleich, ob es sich um Lieferanten oder andere Partner handelt. Und das hört sich doch gut an.

F: Glauben Sie einer besonderen Prüfung unterzogen worden zu sein, oder mussten sie besonderer Kritik entgegen treten, weil Sie auf dem Posten als Frau agierten?

W: Ich glaube ich bekam schon ein wenig mehr an Aufmerksamkeit, weil ich eine Frau bin. Doch ich sagte immer, es ist so wie es ist- fertig! Ich wollte so gut arbeiten wie ich nur konnte und ein guter Kollege sein. Man sollte gut mit mir auskommen können, das war mein Wunsch.