Handelsszenario 2030: Wachstumsparadoxon im deutschen Einzelhandel

Die neue IFH-Studie „Handelsszenario 2030“ analysiert die vergangenen und kommenden 10 Jahre des deutschen Handels und zeigt: Der Handel steht zunehmend unter Druck. Ein Wachstum im Einzelhandel ist nur bedingt erkennbar. Bis 2030 können bis zu 64.000 Handelsunternehmen in Deutschland wegfallen.

Die positive Handelsentwicklung des deutschen Einzelhandels relativiert sich: Zwischen 2010 und 2019 konnte der deutsche Einzelhandel zwar ein Umsatzplus von 134 Milliarden Euro verzeichnen. Zunehmende Umsätze erzielt der Einzelhandel mit Tätigkeiten aus Großhandel, Herstellungen und Dienstleistungen, sowie mit dem Ausland. Zieht man diese Umsätze und das Wachstum des Onlinehandels ab, reduziert sich das Handelswachstum auf knapp 53 Milliarden Euro. Abzüglich der Umsatzzuwächse des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) verbleibt im stationären Nonfood-Handel lediglich ein Umsatzzuwachs von 15,1 Milliarden Euro, was 1,7 Milliarden Euro pro Jahr entspricht. Diese und weitere grundlegende Erkenntnisse zum deutschen Handel liefert die neue IFH-Studie „Handelsszenario 2030“, die auf der Grundlage der retrospektiven Entwicklung mittels verschiedener Szenarien für den deutschen Handel in die Zukunft blickt.

„Handelswachstum ist nicht gleich Handelswachstum! Wenn wir uns die Entwicklung der deutschen Handelslandschaft ansehen, müssen wir die einzelnen Formate und Branchen differenziert betrachten. Reales Wachstum finden wir lediglich in wenigen Handelszweigen und dieses ist innovations- oder bedarfsgetrieben. Die großen Entwicklungslinien sind klar erkennbar und nicht neu. Neu ist die zunehmende Geschwindigkeit des Strukturwandels“, so Dr. Susanne Eichholz-Klein, Mitglied der Geschäftsleitung am IFH Köln, zu der neuen Studie.

Vier Zukunftsszenarien für die Entwicklung des deutschen Handels bis 2030

Mit Blick auf die verschiedenen Bedürfnisse der Konsumentinnen und Konsumenten im Spannungsfeld von stationären Touchpoints sowie der allgemeinen Konsumneigung zeigt die Studie vier verschiedene Szenarien für die Entwicklung des deutschen Handels auf. Im Spannungsfeld zwischen Online- und stationärem Handel und den sich deutlich und immer schneller verändernden Einkaufsgewohnheiten der Konsument*innen lassen sich für die Handelslandschaft und deren stationäre Geschäfte drastische Rückgänge in allen vier Szenarien ableiten: So ist bis 2030 mit einem Verlust zwischen knapp 26.000 und 64.000 Handelsunternehmen in der Gesamtbranche zu rechnen – hier sind sich bereits ankündigende Dynamiken im Rahmen der Coronakrise noch nicht einberechnet.

Innenstädte unter Druck: Revitalisierung durch Kundenzentrierung

Das bekannte Thema Ladensterben in deutschen Innenstädten wird in den kommenden Jahren weiter an Relevanz gewinnen. Eine weiter abnehmende (Innenstadt-)Standortattraktivität sowie stadtinterner und städtischer Wettbewerb werden durch eine zunehmende Anzahl an Schließungen befeuert. So kann es in den innnenstadtrelevanten Branchen im Extremfall im Jahr 2030 bis zu 40.000 Einzelhändler weniger geben.

Um aus dem Teufelskreis von weniger Innenstadtbesucher*innen und schließenden Geschäften auszubrechen, ist der Handel angehalten, sich im Spannungsfeld von Convenience, Erlebnis, lokalen sowie digitalen Angeboten neu zu positionieren und sich verstärkt als Freizeitelement neu definieren.

„Mehr denn je sind wir im Handel jetzt gefordert, den Paradigmenwechsel vorzunehmen. Auf das Zeitalter der Perfektion von Prozessen rund um Beschaffung und Absatzoptimierung folgt     ein neues Zeitalter, dass die persönliche Nähe in den Fokus setzen muss. Es geht in der Zukunft darum, Handel immer mehr als Freizeitgut zu verstehen und so in der Branche eine komplett andere Wertewelt und ein neues Leistungsversprechen zu erschaffen“, resümiert Boris Hedde, Geschäftsführer des IFH Köln.

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