Vokswirte fordern Stundung und Senkung von Steuerzahlungen – Soli-Abschaffung vozurziehen – Abweichung von Schwarzer Null hinzunehmen
Eine Gruppe von prominenten Wirtschaftswissenschaftlern unterstützt das Paket der Koalition mit Hilfen für die Wirtschaft in der Corona-Krise. Gleichzeitig jedoch fordern sie die Regierung auf, mehr zu tun. „Es sind bereits jetzt weitergehende Schritte erforderlich“, heißt es in einem 15-seitigen Papier der sieben Volkswirte, das am Mittwoch veröffentlicht wurde. „Wenn erforderlich, muss zur Behebung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise von der Schwarzen Null im Staatshaushalt abgewichen werden, und es sind die Spielräume zu nutzen, die die Schuldenbremse bietet“, schreiben sie.
Als besonders zielführend und wirksam stufen die Ökonomen die bereits vom Koalitionsausschuss beschlossenen Maßnahmen zur Erleichterung beim Zugang zu Kurzarbeitergeld sowie damit verbundene Erstattungen der Sozialbeiträge durch die Bundesagentur für Arbeit ein. Diese Maßnahmen unterstützten die Unternehmen, Beschäftigte zu halten und begrenzten damit schädliche Zweitrundeneffekte auf den Konsum. Gelänge es, Unternehmenspleiten und Entlassungen so zu verhindern, sei die Chance gut, dass sich die Konjunktur nach Abflauen der Infektionswelle schnell wieder fange und ausgefallene Produktion nachgeholt werde.
Dafür müsse allerdings alles getan werden, um Liquiditätsengpässe bei Unternehmen zu vermeiden, die entweder Umsatzeinbrüche erleiden oder durch fehlende Teile Produktionsunterbrechungen hinnehmen müssen. Zielführende Instrumente hierfür seien die generelle zinsfreie Stundung von Voraus- und Nachzahlungen bei Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer. Außerdem empfehlen die Ökonomen verbesserte Abschreibungsbedingungen, die großzügige Gewährung des Investitionsabzugs und eine großzügigere Gestaltung des steuerlichen Verlustrücktrags. Eine Ausweitung des Grenzbetrages über eine Million Euro hier würde es mittleren und großen Unternehmen ermöglichen, in angemessener Weise an dieser Maßnahme zu partizipieren.
Auch das Vorziehen der Teilabschaffung des Solidaritätszuschlags auf den 1. Juli wäre allein aus psychologischen Gründen zu begrüßen, schreiben die Autoren. Sie erhöhe unmittelbar die verfügbaren Einkommen weiter Teile der Bevölkerung. Dies könne zu relativ geringen Kosten das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Politik und in eine rasche wirtschaftliche Belebung nach dem Abflauen der Krise stärken. Aufgrund der Stornierung von Messen, Reisen und Veranstaltungen bis in den Mai hinein und wegen Produktionsausfällen in der Industrie würde sich die schon einige Jahre laufende Industrierezession im ersten Halbjahr 2020 wahrscheinlich zu einer gesamtwirtschaftlichen Rezession auswachsen.
Liquiditätshilfen etwa durch Kredite der KfW halten die Ökonomen für sinnvoll, aber möglicherweise nicht ausreichend. „Wenn es nicht gelingen sollte, die Ausbreitung der wirtschaftlichen Schockwellen einzudämmen, so dass es in größerem Stil zu Unternehmensinsolvenzen käme, wäre als letzte Möglichkeit dran zu denken, dass sich der Staat mit Eigenkapital an Unternehmen beteiligt.“ Dies wäre analog zur Rettung von Banken in der Krise 2008/09. Im Vergleich zum Bankensystem gebe es in der Realwirtschaft jedoch eine weitaus größere Anzahl von kleinen und mittleren Unternehmen, sodass die Umsetzung mit einem enormen Verwaltungsaufwand verbunden wäre.
Wichtig sei bei allen Maßnahmen, dass diese „timely, targeted and temporary“ sein sollten, also schnell greifen müssen, zielgenau und vorübergehender Natur sein. Dabei habe der deutsche Staat für die vorgeschlagenen Maßnahmen ausreichend fiskalischen Spielraum. So verfüge „die deutsche Finanzpolitik, nicht zuletzt wegen der im internationalen Vergleich niedrigen Schuldenstandquote, über große Potentiale zur Stabilisierung der Wirtschaft“. Weder Schuldenbremse noch europäische Fiskalregeln stünden dem im Wege. „Die Schuldenbremse weist explizit eine Ausnahme für Krisensituationen auf“, heißt es. Gleiches gelte für den Stabilitäts- und Wachstumspakt.
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