Die Rabattsaison als Fluch und Chance für Händler

Auch ohne vorheriges Familienfest zu Thanksgiving haben sich der Black Friday und Cyber Monday im deutschen Einzelhandel fest etabliert. Einer Oliver Wyman-Umfrage unter rund 1.000 Black Friday Shoppern in Deutschland zufolge wollen 53 Prozent allerdings an diesen Tagen nur schon länger geplante Einkäufe besonders günstig realisieren; die Weihnachts- und Spontankäufer sind inzwischen in der Minderheit. Angesichts hoher Rabatterwartungen benötigt jeder Einzelhändler eine intelligente Strategie, um die hohe Kaufbereitschaft in möglichst margenstarke Umsätze umzumünzen.

Am 11. November beginnt traditionell die fünfte, die närrische Jahreszeit. Für den deutschen Einzelhandel markiert dieses Datum in jüngster Zeit allerdings den Auftakt der Jahresendrallye: Am „Singles‘ Day“ – einer ursprünglich chinesischen Idee – startet die mehrwöchige Rabattsaison, die im Black Friday und Cyber Monday mündet. Dabei wird laut einer Umfrage der Strategieberatung Oliver Wyman jeder Einkaufskanal genutzt: In diesem Jahr wollen 68 Prozent der deutschen Schnäppchenjäger im Internet auf die Suche gehen, 21 Prozent planen zusätzlich einen Besuch in Läden und gut jeder Zehnte will ausschließlich klassisch shoppen gehen. Dabei dominieren online die Websites der großen E-Commerce-Anbieter – knapp jeder zweite Befragte will zum Black Friday hin Zeit bei Amazon, Zalando & Co. verbringen.

Verbraucher lernen, welche Rabatte realistisch sind

Ganz oben auf der Einkaufsliste stehen Elektronikartikel, gefolgt von Kleidung und Schuhen sowie Haushaltsgeräten. Die Kaufbereitschaft hängt jeweils entscheidend von der Rabatthöhe ab. 42 Prozent der Befragten wollen bei Preisnachlässen von 30 Prozent und weitere 33 Prozent erst bei Rabatten von 50 Prozent oder mehr zuschlagen; im Vorjahr hatten die Erwartungen noch höher gelegen. Oliver Wyman-Partner Rainer Münch erklärt: „Die Konsumenten entwickeln ein besseres Gespür für unrealistisch hohe Prozentabschläge am Black Friday und handeln entsprechend.“

Dieser „Erziehungseffekt“ zeigt sich noch bei einem weiteren Umfrageergebnis. Danach wollen in diesem Jahr 53 Prozent der Befragten rund um den Black Friday Artikel kaufen, die schon länger auf ihrer Einkaufsliste standen – vor einem Jahr lag dieser Anteil noch bei 42 Prozent. Im Gegenzug sinkt die Zahl der Spontankäufer. Branchenexperte Münch warnt: „Der Handel läuft Gefahr, durch hohe Rabatte in der Vorweihnachtszeit immer mehr Plankäufe zu kannibalisieren.“

Black Friday ist Fluch und Chance zugleich

Seiner Überzeugung nach ist eine solche Entwicklung aber keineswegs zwangsläufig. Münch ist überzeugt: „Der Black Friday ist Fluch und Chance zugleich für den Handel“. Er könne sich zwar den Erwartungen der Kunden nicht entziehen und müsse hohe Rabatte ausflaggen. Doch gleichzeitig habe er Ende November anders als bei sonstigen Aktionen ohne zusätzlichen Aufwand die volle Aufmerksamkeit der Verbraucher. In dieser Situation sei auch wieder die klassische „Kunst der Verführung“ gefragt. Über eine entsprechende Kundennavigation oder Beratung könne es durchaus gelingen, das Interesse auch für ebenso kundenrelevante, jedoch margenstärkere Artikel zu wecken und die Kaufentscheidung somit im Sinne des Handels und der Hersteller zu beeinflussen. Und auch von Alibaba kann der deutsche Handel noch lernen, meint Münch: „Kunden können dort zum Beispiel ihren Singles‘ Day Einkaufskorb bereits Wochen zuvor zusammenstellen. Diese Transparenz erlaubt noch gezieltere Händleraktivitäten und vereinfacht die Mengensteuerung in der Supply Chain.“

Oliver Wyman-Partner Münch betont: „Der Black Friday und Cyber Monday haben sich auch in Deutschland fest etabliert. Mit einer intelligenten Kunden-, Sortiments- und Rabatttaktik können clevere Händler die Kauflust breiter Schichten zu ihrem Vorteil nutzen.“ Es gehe darum, den Wunsch des Konsumenten – ein bestimmtes Produkt zum höchstmöglichen Rabatt – nicht zu ignorieren, sondern kundenindividuell attraktive Alternativen aufzuzeigen, die dem Handel aber zugleich auch eine gesunde Marge ermöglichen. Die Verbraucher würden trotzdem profitieren: „Deutliche Preisnachlässe werden den Black Friday auch weiterhin prägen. Er bleibt ein Fest für Schnäppchenjäger.“

Über die Befragung

Im Rahmen der im Oktober 2019 durchgeführten Online-Umfrage hat Oliver Wyman Konsumenten in den USA, Canada, Australien, Neuseeland, UK, Frankreich, Italien, Spanien, Russland, Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden zu ihren Einkaufsgewohnheiten zum Black Friday befragt.

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