Come back and stay? Das Vinyl-Revival im Faktencheck

Bekanntermaßen leben Totgesagte länger. Demnach schickt sich die gute alte Vinyl-Schallplatte vermutlich an, unsterblich zu werden. Denn im Gegensatz zu anderen Unterhaltungsmedien, wie beispielsweise Zeitschriften, bekam Vinyl nicht erst mit Aufkommen des Internets als Massenmedium Konkurrenz: 1981 stellte Philips auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin die Compact Disc vor. Den Verbrauchern verhieß die CD digitale Musik ohne Rauschen und den Labels größere Gewinnmargen, da CDs in der Herstellung deutlich günstiger als Schallplatten sind.

Come back and stay? Das Vinyl-Revival im Faktencheck – pixabay.com ©Pexels (Creative Commons CC0)
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Entsprechend drastisch sank der Absatz der schwarzen Scheiben. Lange war Vinyl eine winzige Nische für Nostalgiker und es wäre nicht verwunderlich gewesen, wenn spätestens das Aufkommen des mp3-Formats und der Streaming-Dienste die vergleichsweise teuren, unhandlichen Schallplatten endgültig beerdigt hätten. Doch dem aktuellen Media Consumer Survey von Deloitte zufolge hören 39 Prozent der Deutschen wieder Platten. 12 Prozent greifen sogar mindestens einmal pro Woche zum Plattenspieler – davon sind übrigens 2017 in Deutschland auch wieder 117.000 Stück verkauft worden.

Ein beispielloses Comeback

„Das Comeback der Schallplatte fällt überraschend deutlich aus. Offensichtlich ist bei vielen Mediennutzern der Wunsch nach einem ,echten‘ Nutzungserlebnis vorhanden, gewissermaßen als Gegenentwurf zu digitalen Angeboten, die Content immer und überall verfügbar machen“, sagt Klaus Böhm, Leiter Media & Entertainment bei Deloitte. „Die Ergebnisse unseres Media Consumer Survey zeigen zudem eine Renaissance weiterer haptischer, zum Teil schon totgeglaubter Medienprodukte.“ So blieb die Anzahl der Leser gedruckter Tageszeitungen trotz der steigenden Akzeptanz von E-Paper und Online-News zuletzt stabil. Ähnliches ist im Zeitschriften-Segment zu beobachten. Und die Nutzung gedruckter Bücher nahm sogar in den vergangenen beiden Jahren in fast allen Altersgruppen zu.

Der Trend geht zu einer friedlichen bis konstruktiven Koexistenz zwischen digital und analog: „Bei der Frage nach digitaler versus traditioneller Mediennutzung stehen die Zeichen auf ,Sowohl als auch‘. Schließlich ergänzen sich beide ideal: So ermöglichen Streaming-Dienste den flexiblen Zugriff auf ein gefühlt unbegrenztes Content-Angebot und sind ideale Begleiter für den Medienkonsum unterwegs. Zu Hause schätzen viele Nutzer dagegen die gedruckte Zeitung am Frühstückstisch oder genießen eine Schallplatte bei einem Glas Wein am Abend“, erläutert Klaus Böhm.

Vinyl ist also wieder da. Doch es mehren sich die Anzeichen, dass der kleine Analog-Boom an seine Grenzen stößt. Die ersten Plattenläden haben bereits wieder geschlossen. Ist der Hype vielleicht schon wieder vorüber? Deloitte hat die Fakten hinter dem Phänomen „Vinyl-Comeback“ unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten untersucht.

Lieb und teuer – ein altes Format wird zum neuen Premiumsegment

„Vinyl-Hörer sind meist Musikliebhaber, die auch andere Audio-Formate überdurchschnittlich häufig nutzen“, beschreibt Ralf Esser, Research-Leiter TMT bei Deloitte, die Nutzer. „Musik ist für diese Verbrauchergruppe ein Hobby und dementsprechend ist sie bereit, Geld für hochwertige Produkte mit Sammlercharakter auszugeben.“ Die Musikindustrie bemüht sich zunehmend, dieses neue Premiumsegment mit attraktiven Angeboten zu versorgen. Musiker und Labels tragen dem Schallplatten-Comeback Rechnung und schmücken ihre Neuveröffentlichungen wieder zunehmend mit attraktivem Artwork, bedruckten Innenhüllen und aufklappbaren Gatefold-Covern.

Für diese Angebote wird in der Regel ein Mehrfaches des Preises von CDs oder mp3-Downloads aufgerufen und auch bezahlt, sehr zur Freude von Künstlern und Plattenfirmen.

Zurückgekommen, um zu bleiben?

Seine Rückkehr hat Vinyl allerdings nicht unbedingt einer Reihe zahlungskräftiger Nostalgiker zu verdanken. Die meisten Intensiv-Nutzer, die täglich Platten hören, finden sich mit 9 Prozent in der Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen, dicht gefolgt von den 19- bis 24-Jährigen. Dass die Begeisterung für das Format auch bis in die jüngeren Alterssegmente durchschlägt, spricht für die Zukunftsfähigkeit von Vinyl.

Ralf Esser warnt jedoch vor zu viel Euphorie: „Nach Jahren stetigen Wachstums stehen die Zeichen nun erst einmal auf Konsolidierung. Die beteiligten Akteure sollten das weitere Potenzial daher realistisch einschätzen. Wir gehen derzeit von einer adressierbaren Zielgruppe in Deutschland von rund sieben Millionen Konsumenten über 15 Jahren aus.“ Die große Masse der Mediennutzer wird also weiterhin andere Zugänge zu Musik bevorzugen als die Schallplatte. Die Nachteile von Vinyl sind schließlich recht gravierend: Schallplatten sind verhältnismäßig teuer, sperrig und kompliziert in der Handhabung.

Trotzdem ist dieses Comeback kein vorübergehendes Intermezzo: Vinyl hat sich innerhalb Musikindustrie eine Nische erobert und sich als das neue Premiumsegment etabliert. Nostalgie und Haptik sind hier wichtige Faktoren. Hinzu kommt der von Audiophilen als angenehm und anderen Darreichungsformen gegenüber als überlegen empfundene Klang – also ausgerechnet das „Rauschen“ könnte dafür sorgen, dass Vinyl die damals vielgepriesene CD nun sogar überdauern dürfte.

Inhaltlich verantwortlich für die Studie sind Klaus Böhm, Leiter Media & Entertainment, und Ralf Esser, Leiter TMT Research bei Deloitte. 

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