Online-Preise: Hochdynamisch, aber selten individualisiert

Regelmäßig beschweren sich Verbraucher mit dem Verdacht, Online-Händler würden je nach Wohnort oder verwendetem Endgerät der Kunden zeitgleich unterschiedliche Preise für dasselbe Produkt ausweisen. Dem ist das Team des Marktwächters Digitale Welt der Verbraucherzentrale Brandenburg nachgegangen und hat Preise von 16 deutschen Online-Händlern, Amazon und Händlern des Amazon-Marktplatzes untersucht – mit überraschendem Ergebnis: Die wenigsten Online-Händler wenden eine individualisierte Preisdifferenzierung an. Gründe für die Verunsicherung der Verbraucher gibt es dennoch.

Online-Preise: Hochdynamisch, aber selten individualisiert – pixabay.com ©geralt (Creative Commons CC0)
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Bereits im vergangenen August veröffentlichten die Brandenburger Marktwächter-Experten die Untersuchung „Dynamische Preisdifferenzierung im deutschen Online-Handel“. Während hier die Änderung der Preise im Zeitverlauf im Fokus stand, untersuchte das Team diesmal eine Individualisierung der Preise nach kundenbasierten Parametern wie dem jeweiligen Endgerät, beispielsweise dem Smartphone, oder nach dem Standort. Um herauszufinden, ob Kunden zur gleichen Zeit im gleichen Online-Shop für das identische Produkt unterschiedliche Preise erhalten, wurden Preise von 1.554 Artikeln bei 16 Online-Händlern, Amazon und mehr als 2.000 Händlern des Amazon-Marktplatzes vom 31. Januar bis 6. September 2018 auf fünf Endgeräten und an drei Standorten ausgewertet.

„Die aktuellen Ergebnisse sind ein neuer Beleg für die schwere Vergleichbarkeit von Preisen für Verbraucher im Internet. Die Vielfältigkeit der Preisgestaltung im Online-Handel – von hoher Dynamik, über Standortdifferenzierung, unterschiedlicher Darstellung auf den Endgeräten bis hin zu Versandkosten als Preisschraube – sorgen für Intransparenz beim Kunden“, sagt Kirsti Dautzenberg, Teamleiterin Marktwächter Digitale Welt in der Verbraucherzentrale Brandenburg. „Für Verbraucher gibt es so keinen verlässlichen Preis mehr. Auf Verbraucherseite könnten Vertrauensverlust und im schlechtesten Fall Abkehr von Online-Händlern die Folgen sein“, so Dautzenberg.

Der Standort kann den Preis beeinflussen

Lediglich bei zwei Online-Händlern ließ sich eine Preisdifferenzierung nach Standort feststellen. Beim Autoteilehändler atu.de variierten acht Prozent der Artikel. Die höchste Ersparnis lag bei einem Motorenöl, für das Marburger Kunden am 30. Juni nur 39,99 Euro anstelle der sonst üblichen 64,99 Euro zahlten. Beim Baumarkt obi.de variierten sogar mehr als die Hälfte (52 %) der beobachteten Preise. Hier konnten zum Beispiel Berliner Kunden am 29. Juli gegenüber Münchnern und Mar-burgern sieben Euro beim Kauf eines Druckluft-Startersets sparen. Es konnte aber kein systematischer Preisvorteil für einen der untersuchten Standorte festgestellt werden. Mal profitierte der Eine, mal der Andere.

Bei den Endgeräten trügt der Schein

In Hinblick auf eine Individualisierung der Preise nach Endgeräten ergibt die Untersuchung: Tatsächlich zeigen verschiedene Endgeräte in einem Zeitraum von 20 Minuten bei einem deutlichen Anteil der untersuchten Produkte unterschiedliche Preise an – in der Kategorie Spielzeug sogar bei mehr als der Hälfte (61 %). Die Preisunterschiede lassen sich jedoch auf andere Ursachen zurückführen: Werden Preise nahezu minütlich geändert, ist es kaum mehr möglich, zu unterscheiden, ob es sich um hoch dynamische oder individualisierte Preisdifferenzierung handelt. Zudem stellen mobile Geräte Artikelinformationen meist stark verkürzt dar. Nicht immer ist für den Verbraucher dadurch ersichtlich, für welche spezifische Modellvariante der angezeigte Preis gilt. Es entsteht der Eindruck unterschiedlicher Preise für das vermeintlich gleiche Produkt. Weiterhin fanden die Marktwächter-Experten bei acht der beobachteten Artikel Preisauffälligkeiten, die sich auf unterschiedlich hohe Versandkosten zurückführen ließen.

Mehr Preistransparenz bei Preisangaben im Internet nötig

Obwohl das Ausmaß personalisierter Preise bislang gering erscheint, wäre eine Entwarnung voreilig: Personalisierte Preise werden auch über individuell ausgespielte Rabatte umgesetzt, etwa, wenn der Algorithmus des Händlers zu dem Schluss kommt, dass ein Nutzer den Online-Kauf abbricht.

„Sofern Anbieter Preise an den Nutzer anpassen, müssen sie dies bei der Preisangabe transparent und verständlich ausweisen. Wenn der Standort, das Surfverhalten oder das Endgerät Einfluss darauf haben, welchen Preis sie für ein Produkt zahlen, müssen Verbraucher das wissen. Transparenz hat Priorität. Wir fordern, dass Unternehmen offenlegen, welche persönlichen Daten in die Preisberechnung einfließen“, sagt Lina Ehrig, Leiterin des Teams Digitales und Medien beim Verbraucherzentrale Bundesverband. „Die Entscheidungskriterien und -logiken entsprechender Preisanpassungssoftware sollten für Aufsichtsbehörden nachvollziehbar sein, um diese im Verdachtsfall überprüfen zu können – etwa hinsichtlich ungerechtfertigter Diskriminierung“, so Ehrig.

Methodik

Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung wurden mittels Sekundäranalyse und empirischer Datenerhebung und -auswertung erstellt.

Im Rahmen der empirischen Datenerhebung wurden insgesamt 1.554 Artikel bei 16 Online-Händlern, Amazon und Amazon Marktplatz untersucht. Die Auswahl der Händler erfolgte auf Basis der Kriterien Branche und Umsatz.

Die Durchführung der empirischen Preiserhebung wurde durch den Marktwächter Digitale Welt beauftragt und durch die tripuls media innovations GmbH in zwei Erhebungswellen (31.01. bis zum 05.03.2018 und 27.06. bis zum 06.09.2018) mit fünf virtuellen Gerätekonstellationen (Windows NT, Android Phone, Android Tablet, Apple iPhone, Apple iPad) durchgeführt. Die Standortdifferenzierung wurde in einem Zeitkorridor von 25 Minuten, die Endgerätedifferenzierung in einem Zeitkorridor von 20 Minuten erhoben.