Wie eBay den chinesischen Markt verloren hat

Nachfolgender Artikel befasst sich mit dem Thema warum eBay den chinesischen Markt nicht erobern konnte. Der Artikel lehnt sich an das Buch „Red Wired: China’s Internet Revolution“ an, das im November 2009 auf den Markt kommen wird. Co-Autor des Buches sind unter anderem Sherman So, der führende chinesische Technologie Reporter bei der “South China Morning Post? in Hong Kong. Christopher Westland, ebenfalls am Buch beteiligt, ist Professor an der University of Illinois, Chicago. Das Buch soll seinen Lesern ein besseres Verständnis dafür geben, wie die Chinesen es erfolgreich geschafft haben, Bestandteile der westlichen Welt mit Neuerung zu versehen und diese Eigenschaften dem chinesischen Markt anzupassen. eBay ist ein Teil dieser chinesischen Geschichte. Viele glaubten, das Taobao den Konkurrenten eBay in China durch Kostenfreiheit geschlagen hat, nicht aber der EachNet Gründer Bo Shao, der das Unternehmen im Juli 2003 an eBay verkaufte und später im Bericht noch häufiger zitiert wird. Das Schlüsselwort für Shao hieß Migration, was in diesem Falle bedeutete: EachNets in China gewachsene Technologie Plattform zu beenden und alle EachNet-Nutzer auf die eBay US-Plattform zu transferieren.

Im Jahr 2003 hatte der globale Wachstumsplan von eBay China erreicht. eBay vollendete seinen Erwerb der dominierenden Versteigerungs-Plattform des Landes EachNet für 180 Millionen $ im Juli 2003. EachNet hatte damals mehr als 2 Millionen Benutzer und ungefähr 85% des Markts inne. Die Marktüberlegenheit von EachNet war so stark, dass Shao im Jahr 2001 anfing, die Artikel-Einstellungen und Transaktionen bei EachNet, trotz einer gebührenfreien Konkurrenz auf dem chinesischen Markt, mit Gebühren zu belegen. Shao glaubte, dass solange die Seite die meisten Käufer hatte und Verkäufer an ihnen verdienen konnten, die Verkäufer dazu bereit wären zu zahlen. Laut Shao hatten die Gebühren keinen Einfluss auf die Benutzerloyalität und tatsächlich nahm die Überlegenheit von EachNet nach dem Erheben von Gebühren noch weiter zu.

Ende 2003 zog Bo Shao mit seiner Familie nach Amerika. eBay schickte derweil einige Abgesandte aus Deutschland, den USA, Taiwan und Korea nach China, um die chinesische Abteilung zu leiten. Zudem heuerten sie einige Senior Executives von anderen multinationalen Unternehmen aus China an, um den Markt in Schwung zu bringen. Somit, so dachte eBay, laufe alles wunderbar. Immerhin hatte EachNet, jetzt eBay China, eine überwältigend dominierende Position, und es plante, zusätzliche 100 Millionen $ auszugeben, um seine Technologieplattform zu verbessern und die Marke von eBay in China zu fördern. Irgendwelche neuen Mitbewerber auf dem Online-Markt würden leicht zu vernichten sein.

Doch, nichts lief nach Plan. Ein neuer Rivale kam aus dem Nichts auf den Markt und eBay zog sich 2007 aus dem chinesischen Geschäft zurück. Doch was war passiert? Nachdem Alibaba anfing, Gewinne auf seiner Haupt B2B-Seite zu machen, zielte sein Gründer Jack Ma auf den potenziell viel größeren C2C (Verbraucher-Verbraucher) Markt. Ma trommelte eine kleine Mannschaft zusammen, die im Geheimen wirkte. Im Mai 2003 kam die Webseite Taobao, was ” Suchen nach Schätzen” auf Chinesisch bedeutet, auf den Markt. Während eBay zu dem Zeitpunkt damit beschäftigt war, EachNet in sein Business zu integrieren, präsentierte Alibaba Taobao als einen neuen Online-Einkaufsort. Und im Unterschied zu seinem amerikanischen Mitbewerber war Taobao kostenfrei!

Aber das Erheben von Gebühren war nicht der einzige Grund warum eBay seine Überlegenheit zu Taobao verlor, sagte EachNet Mitbegründer Shao. „Zunächst, auch wenn Taobao viel Lärm machte, veränderte sich unser Handelsverkehr und die Anzahl der User nicht sehr“, so Shao. Trotz der Notwendigkeit, Gebühren zu bezahlen, reichte die größere Benutzerbasis eBay Chinas aus, um die Verkäufer auf der Plattform zu halten. Die meisten Käufer bevorzugten die Plattform von eBay China, da es mehr Verkäufer und angebotene Produkte gab. Tatsächlich stellten Nachzügler im Online-Auktionsbereich selten eine ernste Bedrohung für den Platzhirsch dar. Sie erreichten einen kleinen Anteil am Markt, den großen Coup aber konnten sie nie landen. Was eBay tatsächlich seine Dominanz kostete, war die Entscheidung, seine Technologieplattform von China nach den Vereinigten Staaten zu verlegen, sagte Shao. Whitman hatte nämlich die Vision, dass alle eBay-User weltweit miteinander handeln konnten. Um ihre globale Vision durchzuführen, mussten die Technologieplattformen von eBay aus den verschiedenen Ländern zum Hauptquartier in den USA verlegt werden und unter die Kontrolle des amerikanischen Managements der Gesellschaft gestellt werden. Das ehemalige EachNet Management unterstützte diese Vision, so Shao, befand aber, dass es zu früh war, EachNet Benutzer zur US-Plattform zu transferieren, da diese noch nicht flexibel genug war, um sich den chinesisch-spezifischen Eigenschaften anzupassen. Die Technologiemannschaft von EachNet war auch um Performanceprobleme über den Pazifik besorgt. Solche Sorgen wurden jedoch von eBay heruntergespielt.

Der Anfang vom Ende kam mit einem enormen User-Rückgang um 50%. Was bisher ein Datenfluss innerhalb Chinas gewesen war, wurde nun ein Verkehr über Grenzen und über den Pazifischen Ozean hinweg. Jedoch war die Internetinfrastruktur zwischen China und den Vereinigten Staaten nicht besonders gut. Die langsame Lade-Geschwindigkeit der Webseite von eBay China wurde zu einem der wichtigsten Benutzerprobleme. Dazu kam, die chinesische Regierung hatte bis dahin seine „big firewall“ aufgebaut, um jeden Verkehr zu blockieren, den die Regierung missbilligte. Die langsamen und nicht stabilen Dienstleistungen frustrierten Benutzer und veranlassten sie dazu, eBay China scharenweise zu verlassen. Die Existenz von Taobao als eine bessere Alternative beschleunigte weiter die Beliebtheit von Taobao.

Aber alle diese Nachrichten erreichten Whitman viel zu spät. Der Head eBay International war derzeit ein Hauptbefürworter der Migration und erzählte ihr nichts über die Krise. Erst als sie einen Monat später Shanghai besuchte, erfuhr sie von dem Desaster. Dann ging es immer mehr bergab, da eBay sich nicht mehr schnell genug an den chinesischen Markt angleichen konnte. Die lokale Mannschaft verlor größtenteils die Kontrolle über die Seite. Es brauchte ganze 9 Monate, um bedeutende Änderungen durchzuführen und 9 Wochen sogar, um nur ein Wort auf der Website zu ändern, weil alles über die amerikanische Zentrale laufen musste, so Shao. Dabei ist gerade in diesem Markt eine schnelle Reaktion überlebenswichtig. Taobao hingegen fügte inzwischen schnell neue Features hinzu und machte sein Design immer ansprechender für die chinesischen Benutzer. Über eine Online-Chat-Funktion z.B. konnten die Käufer und Verkäufer noch vor dem eigentlichen Handel miteinander kommunizieren. Es führte eine Online-Zahllösung Alipay ein und gestaltete sein Seitendesign weiblicher, um eine wachsende Zahl von weiblichen Benutzern zu erreichen. Für Nutzer der eBay China Plattform gab es nun keinen Grund mehr auf dieser zu verweilen.

Sechs Monate nach der Migration von eBay Chinas Technologieplattform in die USA hatte Taobao 60% Marktanteil, eBay nur noch 30%. eBay setzte nun signifikant die Preise herab um noch wettbewerbsfähig zu bleiben und 2005 war die Plattform kostenfrei, doch es war viel zu spät. Im Herbst 2005 hatte eBay China zwar noch mehr registrierte Nutzer als Taobao, diese jedoch hatten ein Markt-Transaktionsvolumen von 57%, eBay lediglich von 34%, so das Marktforschungsunternehmen Analysys International in Beijing. Nach der Investition von fast 300 Millionen $ (davon 100 Millionen $ als Extrabudget für die chinesische Werbekampagne) warf eBay das Handtuch. Es ging noch ein Joint Venture mit Tom Online ein, was jedoch nichts mehr zur Verbesserung der Lage beitragen konnte.